Bedingungsloses Grundeinkommen

Grundeinkommen

Das Schweizer Stimmvolk stimmt Anfang Juni 2016 über die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens (BGE) ab.

Das Schweizer Modell sieht ein Grundeinkommen idHv 2.500 CHF für jede erwachsene Person vor. Kinder erhielten 25% davon. Damit wären "Sozialleistungen [...] nur noch da nötig, wo ein nachweislicher Bedarf über die Höhe des Grundeinkommens hinaus vorliegt." [0]

Zu beachten ist, dass das Schweizer Modell kein bedingunsloses Grundeinkommen im Sinne von bspw. Götz Werner darstellt. Dies deshalb, da das Schweizer Modell vorsieht, dass bis zum Erreichen der Grundeinkommenshöhe jeder zusätzliche CHF aus Erwerbsarbeit, das Grundeinkommen 1:1 reduziert. Aus ökonomischer Sicht ist das Grundeinkommen daher nicht bedingungslos, da die sog. Transferentzugsrate bis zu dieser Grenze 100% beträgt.

Aus diesem Grund wird in weiterer Folge vom Grundeinkommen und nicht - wie in der Schweiz - vom bedingungslosen Grundeinkommen gesprochen.

Vor diesem Hintergrund erfahren Sie im nun folgenden Beitrag wie in Österreich ein BGE nach Schweizer Vorlage wirken würde. Konrekt werden folgende Fragen beantwortet:

  • Wie hoch das entsprechende Grundeinkommen in Österreich wäre.
  • Wer die Gewinner, wer die Verlierer sind
  • Wie sich die Armuts- und Ungleichheitsindikatoren verändern.
  • Wie das Grundeinkommen finanziert werden könnte.
  • Was der Knackpunkt ist.

Wie hoch wäre das entsprechende Grundeinkommen in Österreich?

Die Höhe und Ausgestaltung des Grundeinkommens ist eine politische Frage und kann daher für Österreich nicht beantwortet werden. Wird jedoch vom Schweizer Vorschlag ausgegangen und werden die Unterschiede zw. Österreich und der Schweiz hinsichtlich Kaufkraft [1] und Medianeinkommen [2] berücksichtigt, ergibt sich für Österreich ein Grundeinkommen in der Höhe von € 1.362 pro Monat [3].

Das Grundeinkommen für Kinder wäre ein Viertel davon und damit rund € 340 pro Monat.

Wer sind die Gewinner, wer die Verlierer?

Auch wenn das Grundeinkommen einzelnen Personen zugesprochen wird, wird in den folgenden Tabellen das sog. Nettoäquivalenzeinkommen [4] als Maßstab herangezogen. Dies deshalb, weil das Grundeinkommen einen Lebensstandard sichern soll und dieser wiederum davon abhängt, wie viele Personen in einem Haushalt leben und ein Grundeinkommen beziehen. Das heißt, das Nettoäquivalenzeinkommen berücksichtigt gewissermaßen, dass für denselben Lebensstandard bspw. zwei getrennt lebende Personen mehr Geld benötigen, als zwei Personen, die im selben Haushalt zusammenleben.

Anmerkung: Die folgenden Ergebnisse basieren auf unserem Mikrosimulationsmodell ATTM. Die Ergebnisse beruhen auf der Annahme, dass das Grundeinkommen zu 100% über eine Flat-Tax gegenfinanziert ist. Sie auch weiter unten.

Die folgende Tabelle zeigt klar, dass Einkommen bis zum 5. Dezil von der Einführung des Grundeinkommens profitieren würden. Für höhere Einkommen wären Verluste zu erwarten.

Tabelle 1: Nettoäquivalenzeinkommen nach Dezilen
Dezil vor Einführung nach Einführung Differenz
1. Dezil € 10.725 € 18.145 69,2%
2. Dezil € 13.870 € 19.623 41,5%
3. Dezil € 17.203 € 20.611 19,8%
4. Dezil € 20.011 € 21.740 8,6%
5. Dezil € 22.479 € 23.255 3,5%
6. Dezil € 25.054 € 24.693 -1,4%
7. Dezil € 28.083 € 26.695 -4,9%
8. Dezil € 31.758 € 29.283 -7,8%
9. Dezil € 37.607 € 33.884 -9,9%
10. Dezil € 57.061 € 52.747 -7,6%
Gesamt € 26.645 € 27.141  1,9%

Die nächste Tabelle zeigt, dass alleinstehende Personen ohne Kind leicht verlieren würden. Paare und Alleinerziehende mit Kind würden gewinnen.

Tabelle 2: Nettoäquivalenzeinkommen nach Haushaltstyp
Haushaltstyp vor Einführung nach Einführung Differenz
Alleinstehend
ohne Kind € 25.519 € 25.365 -0,6%
mit Kind € 18.708 € 19.692 5,3%
Paare
ohne Kind € 31.160 € 31.218 0,2%
mit Kind € 24.972 € 26.311 5,4%


Veränderung der Armuts- und Ungleichheitsindikatoren

Das diesbezügliche Ergebnis ist eindeutig. Alle ausgewiesenen Indikatoren gehen in dieselbe Richtung und zeigen, dass ein Grundeinkommen nach Schweizer Vorbild jedenfalls die (relative) Armut sowie die Ungleichheit (bezogen auf das Einkommen) reduzieren würde.

Tabelle 3: Veränderung der Armuts- und Ungleichheitsindikatoren
Maß vor Einführung nach Einführung Effekt
Gini-Koeffizient[a] 0,252 0,193
Atkinson-Maß[b]
ε = 0,5 0,053 0,033
ε = 1 0,103 0,061
ε = 2 0,254 0,106
Armutsquote[c] 0,135 0,008
Armutsabstand[d] 0,025 0,001
Armutsabstand[e] € 2.695 p.a. € 934 p.a.

Wie könnte das Grundeinkommen finanziert werden?

Die präsentierten Ergebnisse basieren auf einem Grundeinkommen, das zu 100% gegenfinanziert ist.

Die Gegenfinanzierung erfolgte dabei über eine Flat-Tax [5] idHv. 45%. Sämtliche SV-Beiträge der abhängig und unabhängig Beschäftigten sind abgeschafft und damit bereits in der Flat-Tax integriert. Die Dienstgeberbeiträge zur Sozialversicherung bleiben in der derzeitigen Höhe bestehen.

Knackpunkt Arbeitsmarkt

Obige Ergebnisse gelten unter der Annahme, dass die Beschäftigung nicht zurück geht und damit das gesamte Arbeitsvolumen konstant bleibt.

Dies entspricht grosso modo der Annahme der Grundeinkommensbefürworter, die lediglich einen geringen Rückgang der Erwerbstätigkeit erwarten.

Wird jedoch basierend auf einem neoklassischen Arbeitsmarktmodell der Beschäftigungseffekt geschätzt, ergibt sich ein Rückgang der Beschäftigung im Ausmaß von rund 318.000 Vollzeitäquivalenten. Dieser Rückgang darf dabei jedoch nicht mit einem entsprechenden Rückgang der Beschäftigung "in Köpfen" gleichgesetzt werden. Vielmehr entspricht dieser Rückgang den in Vollzeitbeschäftigungsverhältnissen gemessenen Rückgang [6] des gesamten Arbeitszeitvolumens und entspricht einem Minus von grob 7% [7].

Diese Größenordnung deckt sich auch mit Befragungsergebnissen aus Deutschland zum Thema Bedingungsloses Grundeinkommen. In dieser im Jahr 2010 von der GAW beauftragten Befragung gaben Erwerbstätige an, dass sie nach Einführung eines Bedingungslosen Grundeinkommen ihre Arbeitszeit um durchschnittlich 4,3 Stunden pro Woche reduzieren würden (Unselbständige 4,2 und Selbständige 4,6 Stunden pro Woche). 18% gaben an, dass sie ihr Arbeitsangebot reduzieren würden (ggf. auch vollständig), bei Personen, die Hilfsberufe ausüben, waren es 33%, bei handwerklich oder technischen Berufen 14%.

Aber ...

UnterstützerInnen eines Grundeinkommens gehen (zum Teil) von einem anderen Menschenbild aus. Bspw. wird davon ausgegangen, dass der Mensch gerne arbeitet und daher pekuniäre Anreize "nicht alles" sind, insbesondere, wenn Arbeit nicht an die Notwendigkeit der Erzielung von Einkommen gebunden ist. Als Beleg dafür wird bspw. auf Studien aus dem Bereich der Soziologie bzw. Psychologie über Langzeitarbeitslose verwiesen.

Als Konsequenz stehen die UnterstützerInnen eines Grundeinkommens neoklassischen Arbeitsmarktmodellen kritisch bis ablehnend gegenüber.

Würde jedoch das Arbeitszeitvolumen tatsächlich um 318.000 Vollzeitäquivalente sinken, wäre bei einer deutlich höheren Flat-Tax von 50,5% der Effekt auf die Nettoäquivalenzeinkommen fast in allen Dezilen negativ - und damit auch im Durchschnitt über alle Dezile.

Jedoch resultiert dieser Effekt aus der Tatsache, dass durch die Reduktion der durchschnittlichen Arbeitszeit auch das durchschnittliche Einkommen sinkt. Dies wäre gewollt und ein Rückgang des Nettoäquivalenzeinkommens darf nicht damit gleichgesetzt werden, wie "gut" es den Menschen dann geht.

Zudem besagt das Ergebnis ausschließlich, dass die Erwerbsarbeit (in Stunden gemessen) zurückgehen würde. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die betreffenden Menschen weiterhin im volkswirtschaftlichen Sinne produktiv sind - nur eben nicht am Arbeitsmarkt. Das heißt, die Unterscheidung zw. Arbeit und Erwerbsarbeit ist für die Diskussion zentral.

In Summe kommt es letztlich auf die Produktivität der Menschen an. Wie sich diese nach Einführung eines Grundeinkommens ändert ist unklar (Stichwort: Produzieren zwei Teilzeitkräfte gleich viel wie eine Vollzeitkraft?)

Des Weiteren wäre zu berücksichtigen, dass bspw. PensionistInnen nach Einführung eines Grundeinkommens möglicherweise eine Erwerbsarbeit aufnehmen würden. Dies ist in den vorliegenden Ergebnissen nicht berücksichtigt.

Nicht berücksichtigt ist auch, dass das vorgeschlagene Grundeinkommen bei entsprechender Ausgestaltung auch eine Verschlankung in der öffentlichen Verwaltung mit sich bringen könnte, da bspw. keine Familienbeihilfe oder kein Arbeitslosengeld ausbezahlt werden müssten. Dieses Einsparpotenzial würde den Gegenfinanzierungsbedarf senken.


Anmerkungen

[0] Siehe Website der Initiative Grundeinkommen.
[1] Die Kaufkraft drückt grundsätzlich aus, wie viele Güter mit einer bestimmten Menge an Geld in verschiedenen Regionen gekauft werden können. So können bspw. mit 100 CHF in der Schweiz deutlich weniger Güter gekauft werden, als in Österreich. Da das Grundeinkommen einen gewissen Lebensstandard - und damit eine bestimmte Kaufkraft - sichern soll, kann in Österreich derselbe Lebensstandard mit einem geringeren Grundeinkommen gewährleistet werden. Dieser Umstand wurde in den Berechnungen berücksichtigt.
[2] Das Medianeinkommen ist jenes Einkommen, sodass 50% aller Einkommen darunter und 50% darüber liegen. Dergestalt steht das Medianeinkommen für das durchschnittliche Einkommen in einem Land. Der Median - im Gegensatz zum arithmetischen Mittel - hat den Vorteil, dass dieser robust gegenüber Ausreißern ist. Mehr zu den Unterschieden der beiden Maße finden Sie unter WISSEN: Statistik-Ratgeber.
[3] Dieser Betrag entspricht netto in etwa jenem von Wolfgang Katzian (Chef der Gewerkschaft GPA- djp) geforderten Mindestlohn von brutto € 1.700 (€ 1.311 netto).
[4] So macht es in Bezug auf den Lebensstandard einen Unterschied, ob zwei erwachsene Personen in einem Haushalt jeweils 2.500 CHF erhalten (Haushaltseinkommen: 5.000 CHF) oder zwei Single-Haushalte jeweils 2.500 CHF (Haushaltseinkommen: jeweils 2.500 CHF). Dies deshalb, weil sich bspw. die Kosten für Wohnraum oder die Anschaffung einer Waschmaschine u.ä. im Zwei-Personen-Haushalt auf mehrere Personen verteilen.
[5] Beispiel: Reduzieren 40 Vollzeit beschäftigte Personen ihre wöchentliche Arbeitszeit um je 1 Stunde, sinkt die gesamt geleistete Arbeitszeit um 40 Stunden pro Woche oder 1 Vollzeitäquivalent.
[6] Ab Erreichen der Grundeinkommenshöhe. Eine Gegenfinanzierung über einen progressiven Einkommensteuertarif ist ebenso möglich.
[7] Basis: Anzahl Erwerbstätiger 2015.

Anmerkungen zu Tabelle 3:
[a] Der Gini-Koeffizient liegt immer zwischen 0 und 1. Ein Wert von null bedeutet, dass jede Person dasselbe Einkommen erzielt (Varianz des Einkommens ist null). Ein Wert von 1 bedeutet, dass 1 Person das gesamte Einkommen erzielt (maximale Ungleichheit).
[b] Dem Atkinson-Maß liegt eine konkave Nutzenfunktion zugrunde. Die funktionale Form der Nutzenfunktion bestimmt dabei, wie stark das Maß auf Ungleichheit in der Einkommensverteilung reagiert. ε = 0 bedeutet, dass die Verteilung der Einkommen gesellschaftlich gesehen unerheblich ist.
[c] Anteil an der Gesamtbevölkerung mit einem Einkommen unterhalb der Armutsgrenze.
[d] Durchschnittlicher relativer Abstand des Einkommens der Armen von der Armutsgrenze.
[e] Durchschnittlicher absoluter Abstand des Einkommens der Armen von der Armutsgrenze.