Austrian Tax Transfer-Model

ATTM - Das Mikrosimulationsmodell der GAW

Mikrosimulationsmodelle definieren ein Set von Regeln und wenden diese Regeln auf repräsentative Individualdaten (sog. Mikrodaten) an. Im Rahmen von Simulationen kann dann bestimmt werden, wie sich Änderungen der Regeln im System auswirken. Darüber hinaus können Änderungen des Verhaltens der Individuen als Reaktion auf die Änderungen der Regeln simuliert werden.

Das Set an Regeln, das ATTM definiert, ist das österreichische Steuer- und Sozialsystem. Folgende Komponenten sind aktuell berücksichtigt.

  1. Sozialversicherungsbeiträge (Arbeitnehmer- und Arbeitgeber-Beiträge)
  2. Lohn- und Einkommensteuer
  3. Familienbeihilfe
  4. Kinderbetreuungsgeld
  5. Familienförderungen der Bundesländer
  6. Arbeitslosengeld/Notstandshilfe
  7. Bedarfsorientierte Mindestsicherung
  8. Ausgleichszulage

Als repräsentative Individualdaten werden die EU-SILC-Daten verwendet. Diese basieren auf einer repräsentativen Befragung von mehr als 6.200 Haushalten (13.910 Personen) und bildet die Abgaben auf Arbeits- und Kapitaleinkommen sowie Transfers (bspw. Arbeitslosengeld, Familienbeihilfe, Familienförderungen der Bundesländer, Bedarfsorientierte Mindestsicherung etc.) für Österreich ab.


ATTM bietet bei der Analyse von Reformen des österreichischen Steuer- und Transfersystems folgende Vorteile.

Verteilungseffekte

Durch Nutzung der in EU-SILC detailliert abgebildeten Haushaltsstruktur kann bestimmt werden, wie sich Reformen der Steuer- und Sozialpolitik auf die Haushaltseinkommen und deren Verteilung auswirken. Darüber hinaus können die Einkommenseffekte für verschiedene Bevölkerungsgruppen (z.B. Arbeitnehmer, Selbständige, Pensionisten, Alleinstehende, Alleinerzieher, Familien, Frauen etc.) bestimmt werden. Die Mikrosimulation unter Einbeziehung der Haushaltsstruktur ist die einzige Methode, mit der Verteilungseffekte von Reformen quantifiziert werden können, während andere Methoden nur Berechnungen für Modellhaushalte erlauben.

Berücksichtigung von Interaktionen im System

Reformen einer Komponente des Steuer- und Sozialsystems wirken sich gewöhnlich auch auf andere Komponenten des Systems aus. Eine Erhöhung der Bemessungsgrundlage der Sozialversicherungsbeiträge würde beispielsweise das Lohnsteueraufkommen senken, da ein größerer Teil des Bruttolohns für SV-Beiträge aufgewendet und damit nicht mehr versteuert wird. Da ATTM das Steuer- und Transfersystem umfassend abbildet, werden derartige Effekte in den Analysen voll berücksichtigt.

Verhaltensanpassungen und Beschäftigungseffekte

Reformen des Steuer- und Sozialsystems bewirken Veränderungen der individuellen Grenzabgabensätze und Nettolöhne (Erstrundeneffekte). Dadurch kommt es in der Regel zu Anpassungen der Erwerbsbeteiligung und des Arbeitsangebots, wodurch sich die Einkommen und das Steueraufkommen wiederum ändern (Zweitrundeneffekte). Mit ATTM können die individuellen Verhaltensanpassungen geschätzt und auf die Gesamtbevölkerung hochgerechnet werden.

Ex-ante Evaluation

Die erwähnten Analysen der Beschäftigungs-, Verteilungs- und Kosteneffekte können für jedes beliebige Reformszenario ex-ante und innerhalb kurzer Zeit durchgeführt werden. Somit können Entscheidungsträger bereits vor einer Einführung mehrere Reformvarianten vergleichen und sich gemäß ihrer Zielsetzungen entscheiden.


ATTM kann dabei folgende Politikmaßnahmen analysieren.

Steuer- und Abgabenpolitik

  • Neugestaltung des Stufengrenzsatztarifes
  • Abschaffung/Neugestaltung der Absetz- und Freibeträge
  • Änderung/Erweiterung der Negativsteuer
  • Zusammenfassung von SV und Steuer
  • Erhöhung der Höchstbeitragsgrundlage
  • SV-Entlastung im unteren Einkommensbereich u.ä.
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Arbeitsmarktpolitik

  • Arbeitsangebotsanreize bei Arbeitslosengeld/Notstandshilfe
  • WiedereinsteigerInnenfreibetrag bei Bedarfsorientierter Mindestsicherung
  • Spezielle Anreizmaßnahmen für ältere Arbeitnehmer, Kombilohn-Modelle etc.
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  • Familienpolitik

  • Neugestaltung/Änderung von Familienbeihilfe und Kinderbetreuungsgeld
  • Reduktion der Kinderbetreuungskosten durch Erweiterung institutioneller Betreuung etc.
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